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Die geltenden Richtlinien des „Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz weist die Elterngeldstellen an, einen Wechsel der Lohnsteuerklasse zu ignorieren, wenn dieser nur die Funktion hat, den Anspruch auf Elterngeld zu erhöhen. Die Sozialgerichte in Dormund (Az S 11 EG 8/07 und S 11 EG 40/07) und Augsburg (Az S 10 EG 15/08), das Landessozialgricht Nordrhein-Westfalen (Az L 13 EG 40/08 und L 13 EG 51/08) und – letztendlich entscheidend – das Bundessozialgericht in Kassel mit Urteil vom 25.06.2009 (Az B 10 EG 3/08 R und B 10 EG 4/08 R) sehen das allerdings anders. Hier die Argumente der Rechtsprechung:

Basis für die Berechnung des Elterngeldes ist das Nettoeinkommen der letzten 12 Kalendermonate vor der Geburt (§ 2 Abs. 1 und Abs. 7 BEEG). Einen Steuerklassenwechsel zur Erhöhung des Nettoeinkommens wird weder durch das BEEG noch durch das Steuerrecht ausgeschlossen.

Hätte der Gesetzgeber den Steuerklassenwechsel ausschließen wollen, hätte er dies im Gesetz bestimmen können. So ist beispielsweise ein gezielter Steuerklassenwechsel von Ehegatten zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 133 Abs. 3 SGB III). Bei der Beratung des BEEG im Bundestag hätten Abgeordnete der Regierungsparteien den Wechsel in eine andere Steuerklasse für möglich gehalten. Eine entgegenstehende Absicht des Gesetzgebers finde sich auch sonst weder im Text noch in der amtlichen Begründung des Gesetzes.

Vor diesem Hintergrund gebe es keine tragfähige Grundlage, die gesetzgeberische Entscheidung mit dem wenig greifbaren Argument des Rechtsmissbrauchs zu korrigieren. Deshalb ist davon auszugehen, dass hier noch eine zulässige Gestaltung vorliegt.

Unter anderem handelte es sich um folgende Fälle

  • Eine Beamtin im Landesdienst wechselte 5 Monate vor der Geburt von der Lohnsteuerklasse IV in Klasse III. Der Ehegatte verdiente nur geringfügig weniger als sie. Deshalb führte die Steuerklassenkombination III/V  zu einem überhöhten Lohnsteuerabzug. Gleichzeitig erhöhte der Lohnsteuerklassenwechsel den Elterngeldanspruch insgesamt um etwa 1.000 €.
  • Eine Bankkauffrau wechselte 7 Monate vor der Geburt von der Lohnsteuerklasse IV in die Lohnsteuerklasse III, obwohl ihr Bruttoeinkommen um 200 € geringer war als das ihres Ehemannes. Der Steuerklassenwechsel erhöhte das Elterngeld insgesamt um rund 800 €.

Fazit

Nicht alles was „amtlich“ ist, muss auch gesetzeskonform sein. Die 168 (!) – seitigen Richtlinien finden Sie hier, die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 25.06.2009 können Sie hier abrufen.

Praxistipps

Tipp 1:

Der Partner mit der Steuerklasse III hat den Vorteil des höheren Elterngeldes. Der Partner mit der Steuerklasse V hat jedoch Nachteile, wenn er längere Zeit arbeitslos wird, da für die Berechnung des Arbeitslosengeldes ebenfalls das Nettoeinkommen der letzten 12 Monate herangezogen wird. Rechnet man mit baldiger Arbeitslosigkeit – beispielsweise aufgrund geplanter Betriebsschließungen des Arbeitgebers –  sollte man umso genauer kalkulieren. Das gleiche Prinzip gilt für andere Lohnersatzleistungen, welche auf Basis des Nettoeinkommens gewährt werden.

Tipp 2:

Um das Netto weiter zu erhöhen, sollte geprüft werden, ob durch den Eintrag von Steuerfreibeträgen das Nettoeinkommen vor der Geburt zusätzlich – zum Steuerklassenwechsel – erhöht werden kann, z.B. in bestimmten Fällen durch den Eintrag wegen erhöhter Werbungskosten. Sprechen Sie bezüglich Ihrer individuellen steuerlichen Situation und eventuellen Möglichkeiten mit Ihrem Steuerberater.

Tipp 3:

Da das Elterngeld nach dem BEEG dem Progressionsvorbehalt unterliegt, kann es unter Umständen sinnvoll sein, nur das halbe Elterngeld für die doppelte Zeit zu beantragen (vgl. § 6 BEEG). Die Wirkungsweise wurde im Artikel Steuerfalle Kurzarbeitergeld & Co. – Progressionsvorbehalt und seine Folgen erläutert.

Hinweis und Haftungsausschluss

Wie bei allen Artikeln handelt es sich lediglich um eine Information. Eine Steuer- oder Rechtsberatung liegt nicht vor.

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