Zum 1. Januar 2015 ergeben sich einige Änderungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der bisherige Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, den Arbeitnehmer bislang allein zahlen, wird gestrichen. Dadurch wird der allgemeine Beitragssatz von derzeit 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent abgesenkt. Die Hälfte, nämlich 7,3 Prozent trägt der Arbeitnehmer, die andere Hälfte trägt der Arbeitgeber.
Geld gespart? Von wegen…….
Experten rechnen jedenfalls mit teilweise stark steigenden Zusatzbeiträgen.
Auf der Homepage des Bundesministeriums der Gesundheit (BMG) wird unter der Überschrift „Mehr Wettbewerb durch kassenindividuellen Zusatzbeitrag“ ausgeführt:
“ Mit dem neuen System erhalten die Kassen mehr Möglichkeiten ihre Beiträge selbst zu gestalten. Bisher mussten alle Kassen einen einheitlich vorgeschriebenen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent erheben, der allein von den Versicherten bezahlt wurde, zudem konnte ein pauschaler Zusatzbeitrag erhoben werden. Beides wird nun abgeschafft. Stattdessen kann künftig jede Krankenkasse einen kassenindividuellen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag erheben. Wie hoch der Zusatzbeitrag ausfallen wird, hängt davon ab, wie wirtschaftlich eine Kasse arbeitet. Wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt, haben die Versicherten ein Sonderkündigungsrecht. Das erhöht den Anreiz im Wettbewerb um Versicherte eine qualitativ hochwertige Versorgung anzubieten und effizient zu wirtschaften, um so die Zusatzbeiträge möglichst gering zu halten. Außerdem werden die Kassen dazu gebracht, ihre teilweise erheblichen finanziellen Reserven abzubauen und damit ihren Versicherten zugänglich zu machen. Diese Mittel kommen also unmittelbar den Versicherten zugute“.
Kommt uns langgedienten Entgeltabrechnerinnen und Abrechnern doch sehr bekannt vor, oder? Hatten wir doch schon alles. Doch ganze ohne Staatseingriff darf es natürlich nicht vonstatten gehen. So ist unter der Überschrift „Mehr Transparenz beim Zusatzbeitrag“ weiter zu lesen:
„Wenn gesetzliche Krankenkassen im neuen System einen Zusatzbeitrag erheben oder erhöhen, müssen sie künftig ihre Mitglieder in einem gesonderten Schreiben über ihr Sonderkündigungsrecht und den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz informieren. Die Krankenkassen sind verpflichtet in diesem Schreiben den durchschnittlichen Zusatzbeitrag aller Krankenkassen zu nennen. Ist der Zusatzbeitrag der Krankenkasse höher als der durchschnittliche Zusatzbeitrag, hat die Kasse ihre Mitglieder auf die Möglichkeit hinzuweisen, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln. Darüber hinaus muss in dem Schreiben auf die Übersicht des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen hingewiesen werden, aus der hervorgeht, welche Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben und in welcher Höhe. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen veröffentlicht diese Übersicht aktuell und in geeigneter Weise im Internet.“
Und damit alles korrekt und sozial gerecht zugeht heißt es unter „sozial ausgewogene Lösung“ weiter:
„Durch die einkommensabhängige Bemessung der Zusatzbeiträge erfolgt der Solidarausgleich zukünftig vollständig innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Außerdem stellt das Gesetz sozial ausgewogen sicher, dass bestimmte Personengruppen nicht belastet werden. Sie zahlen selbst keine Zusatzbeiträge. In den Fällen, in denen bereits der „allgemeine“ Krankenkassenbeitrag von Dritten gezahlt wird, zum Beispiel von der Bundesagentur für Arbeit oder anderen Trägern oder Einrichtungen, wird von dort auch der Zusatzbeitrag bezahlt. Für Arbeitslosengeld II-Empfänger trägt der Bund die Zusatzbeiträge in Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrags. Für Bezieher von Arbeitslosengeld I, die den Zusatzbetrag – sofern ein solcher erhoben wurde – bislang selbst tragen mussten, wird der kassenindividuelle Zusatzbeitrag in Zukunft von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt.“
Weiter geht es mit der unendlichen Geschichte des Bürokratiabbaus:
„Durch das Gesetz wird darüber hinaus Bürokratie abgebaut. Geringverdiener zahlen niedrigere Zusatzbeiträge als Besserverdiener. Dadurch wird auch der deutlich aufwändigere steuerfinanzierte Sozialausgleich entbehrlich. Da durch das Gesetz der kassenindividuelle Zusatzbeitrag künftig prozentual direkt vom Gehalt oder der Rente abgezogen werden, entfällt das aufwendige Einzugs- und Ausgleichsverfahren des bisherigen Zusatzbeitrags. Kassen die bisher Prämien an ihre Mitglieder ausgeschüttet haben, können ihre Mitglieder jetzt viel unbürokratischer durch niedrige Zusatzbeiträge entlasten.“
Die Abschaffung des komplexen und komplizierten Sozialausgleichs, der bisher nie durchgeführt werden musste, ist zweifelsohne zu befürworten. Doch warum hat man diesen überhaupt eingeführt? Eingeführt wurde dieses Prozedere schließlich von der Partei, die jetzt wieder für die Abschaffung verantwortlich schreibt. Und Kosten hat das „Bürokratiemonster“ auch ohne bisherige Durchführung des Sozialausgleiches verursacht: Da nicht bekannt war, ob der durchschnittliche Zusatzbeitrag immer NULL beträgt, wurde die Möglichkeit der Durchführung abrechnungstechnisch in den Entgeltabrechnungsprogrammen bereits aufwendig programmiert und eingebaut sowie bereits viele EntgeltabrechnerInnen geschult.
Ein Zitat, welches ideal auf die politische Situation der letzten Jahrzehnte zutrifft, stammt von Jean Baptiste Colbert (1619-83), Finanzminister Ludwig XIV:
In diesem Punkt kann man durchaus sagen: Die Sozialversicherung folgt der Steuer.