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Der Drittschuldner hat das pfändbare Netto-Arbeitseinkommen nach den Vorschriften des § 850e ZPO zu ermitteln. Dazu hat der Arbeitgeber als Drittschuldner vom pfändbaren Bruttoeinkommen die unpfändbaren Teile des Arbeitseinkommens nach        § 850a ZPO sowie die Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers abzuziehen.

Bei der Bruttomethode werden vom pfändbaren gesamten Bruttoarbeitseinkommen die Lohnsteuer, ggf. Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung aus dem Bruttolohn (einschließlich aus den unpfändbaren Beträgen) abgezogen. Somit ergibt sich folgender Rechenweg:

Bruttoarbeitseinkommen
./. unpfändbare Bezüge
./. Steuern und SV-Beiträge des AN (aus gesamten Bruttoarbeitseinkommen)
= Pfändungsnetto

Beispiel: AN, Steuerklasse III/0, kinderlos, Gehalt 2.000 €, 300 € Urlaubsgeld*, 200 € Erschwerniszulage* (* = unpfändbar).

Abzüge aus 2.500 €: Steuerliche Abzüge = 131,93 € / sv-rechtliche Abzüge = 510,63 €

2.500,00 €Bruttoarbeitseinkommen (1)
./. 500,00 €unpfändbare Bezüge gem. § 850a ZPO
./. 131,93 €steuerliche Abzüge aus (1)
./. 510,63 €sv-rechtliche Abzüge aus (1)
= 1.357,44 €Pfändungsnetto (Grundlage für Pfändungstabelle)

Alternativ ist auch folgende Berechnung möglich:

2.500,00 €Bruttoarbeitseinkommen (1)
./. 131,93 €steuerliche Abzüge aus (1)
./. 510,63 €sv-rechtliche Abzüge aus (1)
= 1.857,44 €Netto gem. Verdienstabrechnung
./. 500,00 €unpfändbare Bruttobezüge
1.357,44 €Pfändungsnetto (Grundlage für Pfändungstabelle)

Bei einer unterhaltsberechtigten Person und einem Pfändungsnetto in Höhe von 1.357,44 € fällt kein pfändbarer Betrag an.

Wie aus dem Rechenbeispiel ersichtlich, werden die anfallenden gesetzlichen Abzüge im Ergebnis zweimal vom Gesamtbruttoeinkommen des Schuldners abgezogen:

  • einmal wird das Gesamtbruttoarbeitseinkommen um die unpfändbaren Bruttobeträge gekürzt
  • anschließend die für das Gesamtarbeitseinkommen des Schuldners zu zahlenden gesetzlichen Abzüge voll abgezogen

Bei der sog. Nettomethode hingegen wird das Pfändungsnetto ermittelt, indem der Drittschuldner das Bruttoarbeitseinkommen – ohne pfändbare Bezüge – um die hierauf entfallenen gesetzlichen Abzüge mindert.

Bleiben wir bei obigen Beispiel und berechnen nun den pfändbaren Betrag nach der Nettomethode
AN, Steuerklasse III/0, kinderlos, Gehalt 2.000 €, 300 € Urlaubsgeld*, 200 € Erschwerniszulage* (* = unpfändbar).

Abzüge aus 2.000 €: Steuerliche Abzüge = 36,18 € / sv-rechtliche Abzüge = 408,50 €

2.500,00  €Bruttoarbeitseinkommen
./. 500,00 €unpfändbare Bezüge gem. § 850a ZPO
.= 2.000,00 €Pfändungsbrutto (1)
./. 36,18 €steuerliche Abzüge aus (1)
./. 408,50 €sv-rechtliche Abzüge aus (1)
= 1.555,32 €Pfändungsnetto (Grundlage für Pfändungstabelle)

Bei einer unterhaltsberechtigten Person und einem Pfändungsnetto in Höhe von 1.555,32 € sind laut Pfändungstabelle 55,83 € pfändbar.

Vertreter der Bruttomethode

In unserem Beispiel erhält der Gläubiger bei Anwendung der Bruttomethode – trotz höherem Bruttoarbeitseinkommen des Schuldners – keinen pfändbaren Betrag.

Dennoch war nach (bisheriger) herrschender Meinung im Schrifttum nach der Bruttomethode zu verfahren (so u.a. Hintzen Lohnpfändung Rz 119 oder Stöber Forderungspfändung Rz 98 und Rz 1134). Auch Bigge/Rath teilt in der Broschüre Lohnpfändung und Lohnabtretung unter Pkt. 3.1.1 diese Meinung : „Dass die Berechnung ggf. bei besonderen Einkommenskonstellationen u. U. dazu führt, dass in einem Monat mit Weihnachtsgeldzahlung sogar geringere Beträge pfändbar sind als in Monaten mit laufendem Einkommen, ist – unter Berücksichtigung des besonderen Schutzgedankens des § 850a ZPO Nr. 4 ZPO – hinzunehmen“.

Vertreter der Nettomethode

Die Tendenz hat sich in den letzten Jahren jedoch in Richtung Nettomethode verschoben, weil bei näherer Betrachtung die Bruttomethode rechtlichen Bedenken begegnet. Die Bruttomethode zieht im Ergebnis die auf den unpfändbaren Teil entfallenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zweimal vom Gesamtbruttolohn des Schuldners ab. „Für diesen Steuer- und Sozialversicherungsbonus zugunsten des Schuldners gibt es keinen plausiblen Grund. Abrechnungstechnisch ist der unpfändbare Betrag nach  § 850a ZPO gänzlich unberücksichtigt zu lassen, so als ob der Schuldner diesen Betrag überhaupt nicht erhalten hätte. Diese Lösung entspricht der Intention des Gesetzes“ (Dietrich Boewer, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Düsseldorf, a.D., Handbuch Lohnpfändung Rz 752 ff.). Viele Praktiker teilten schon lange diese Auffassung, u.a. Müller/Wolf in der Fachzeitschrift Lohn+Gehalt Ausgabe 4/2012. „Aufgrund der doppelten Berücksichtigung der auf den unpfändbaren Teil entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bewirkt die Bruttomethode, dass das pfändbare Einkommen des Arbeitnehmers umso niedriger ausfällt, je höher die unpfändbaren Bezüge sind (Zitat BAG Urt. v. 17.4.2013, unter cc).“

Ebenfalls für die Nettomethode spricht sich Hellwich/Frankenberg im Buch Pfändung des Arbeitseinkommens aus: „Nach den Intentionen der Gesetzesnorm des § 850a ZPO spricht meiner Ansicht alles für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner. Danach ist der unpfändbare Teil des Einkommens völlig unberücksichtigt zu lassen“.

Endlich Klarheit

Mit Urteil vom 17. April 2013, Az 10 AZR 59/12 hat das Bundesarbeitsgericht – u.a. mit Verweis auf Boewer Handbuch Lohnpfändung Rz 752 ff. – entschieden, dass bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO die sog. Nettomethode anzuwenden ist. Nun hat die Praxis endlich ein höchstrichterliches Urteil. Immer wieder gab es Streit in der Entgeltabrechnungspraxis. Nicht selten kamen die Arbeitnehmer – unterstützt von Betriebsräten – in die Personalabteilung und verlangten die Anwendung der Bruttomethode, weil diese für den Arbeitnehmer günstiger sei. Arbeitgeber mit Anwendung der Bruttomethode sahen sich wiederum den „Anfeindungen“ der Gläubiger ausgesetzt, welche die Nettomethode verlangen. Dass der Gesetzgeber die vielen Jahre bzw. schon Jahrzehnte nichts unternahm – z.B. indem er den Gesetzestext konkretisierte – erinnert den Autor an den Begriff der Bananenrepublik. Wieder einmal mussten Gerichte die unscharfen Formulierungen des Gesetzgebers deuten.

Zum BAG Urteil

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